Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat am 25. Januar 2023 eine länderübergreifende Empfehlung zu Verwundbarkeiten im europäischen Gewerbeimmobiliensektor veröffentlicht.
Aus Sicht des ESRB können ungünstige Entwicklungen im Gewerbeimmobiliensektor systemische Auswirkungen sowohl auf das Finanzsystem als auch auf die Realwirtschaft haben. Kreditinstitute seien insbesondere durch Kredite an den Gewerbeimmobiliensektor Risiken ausgesetzt. Verfügbare Daten weisen auf hohe Darlehens-Immobilienwert-Relationen (Loan-to-Value-Ratio, LTV) in verschiedenen europäischen Ländern hin. Sinkende Vermögenswerte, die als Sicherheit für Gewerbeimmobilienkredite verwendet werden, führen zu steigenden LTVs. Das könnte zu zunehmenden Verlusten bei Kreditausfällen und steigenden Eigenkapitalkosten führen. Verwundbarkeiten aus Verbindungen zum Gewerbeimmobiliensektor bestehen zudem auch bei Nicht-Banken wie Immobilienfonds oder Versicherern. Die systemischen Auswirkungen könnten sich wegen der Verflechtung zwischen den Ländern und der Vernetzung zwischen Finanzintermediären verstärken. Vor dem Hintergrund steigender Bau- und Finanzierungskosten, abnehmender Renditen sowie eingetrübter Konjunkturaussichten und eines strukturellen Nachfragerückgangs nach Gewerbeimmobilien sieht der ESRB mittelfristige Finanzstabilitätsrisiken im Gewerbeimmobiliensektor.
Die ESRB richtet daher folgende Empfehlungen an die mikro- und makroprudenzielle Aufsicht und an die Europäische Kommission. Es wird empfohlen die Überwachung systemischer Risiken des Gewerbeimmobiliensektors zu verbessern (Empfehlung A). Die zuständigen Behörden sollen solide Finanzierungspraktiken und umsichtiges Risikomanagement von Finanzinstituten sicherstellen (Empfehlung B). Darüber hinaus wird empfohlen die Resilienz von Finanzinstituten zu erhöhen (Empfehlung C). Dabei soll gewährleistet sein, dass die makroprudenzielle Politikausrichtung risikoadäquat ausgestaltet ist. Sollte es aufgrund der Risikolage erforderlich sein, wird den zuständigen Behörden empfohlen, kapitalbasierte Maßnahmen für Banken zu aktivieren, die Resilienz von Investmentfonds, Versicherern und Pensionsfonds zu verbessern sowie den Einsatz kreditnehmerbezogener Instrumente zu prüfen. Zudem wird der Europäischen Kommission empfohlen, den geltenden Regulierungsrahmen um Aktivitäten-basierte, makroprudenzielle Instrumente zu ergänzen. Der geltende Rahmen bezieht sich auf die Regulierung einzelner Finanzinstitute (Entitäten) wie z.B. Banken oder Versicherer. Eine Aktivitäten-basierte Regulierung adressiert einzelne Aktivitäten, unabhängig davon, welche Entität sie vollzieht. Ziel ist es, die Verwundbarkeiten aus dem Gewerbeimmobiliensektor zu adressieren und regulatorische Arbitrage zwischen Banken und Nicht-Banken zu vermeiden (Empfehlung D).
Hier finden Sie eine Übersicht zu allen ESRB-Empfehlungen und Warnungen mit Relevanz für Deutschland.