Mit Beginn der Pandemie kam es zu erheblichen Verlusten an den Finanzmärkten, und die deutsche Wirtschaft erlebte einen der schwersten Einbrüche der vergangenen Jahrzehnte. Umfangreiche staatliche Maßnahmen verhinderten eine Liquiditätsklemme im Unternehmenssektor. Beispielsweise wurden Unternehmen Zuschüsse, Sofortkredite und Kreditgarantien gewährt und die Regelungen zur Kurzarbeit flexibler ausgestaltet. Umfangreiche finanz- und geldpolitische sowie aufsichtliche Maßnahmen trugen maßgeblich dazu bei, die Unsicherheit zu senken, die Realwirtschaft zu stützen, die Kreditvergabe zu stabilisieren und das Finanzsystem vor größeren Verlusten abzuschirmen. Obwohl die Zahl der Unternehmensinsolvenzen weiterhin niedrig ist, kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Insolvenzen zukünftig stark steigen. Szenarioanalysen legen nahe, dass auch ein starker Anstieg der Insolvenzen im Unternehmenssektor und damit einhergehende Verluste und Wertberichtigungen für das deutsche Bankensystem verkraftbar sein dürfte. Hierzu trägt insbesondere bei, dass das Bankensystem widerstandsfähiger als vor der globalen Finanzkrise der Jahre 2007/2008 ist. Es verfügt strukturell über mehr Eigenkapital und zusätzliche Kapitalpuffer. Zudem wurde die Aufsicht verbessert und mit Banken in Schieflage kann zielgerichteter umgegangen werden. Die Bereitschaft der Banken, ihre Kapitalpuffer bei Bedarf zu nutzen, kann wesentlich dazu beitragen, dass die Kreditvergabe nicht übermäßig eingeschränkt wird. Der deutsche Versicherungssektor hat infolge des Corona-Schocks stabilisierend auf die Preise an den Finanzmärkten gewirkt. Im Investmentfondssektor zeigten die Entwicklungen im März 2020 kurzzeitig strukturelle Verwundbarkeiten auf. Mit den neu geschaffenen Instrumenten zum Liquiditätsmanagement können die Fonds ihre Risiken in Zukunft besser steuern.
Die Verwundbarkeiten aus der Vergabe von Wohnimmobilienkrediten bestehen im deutschen Finanzsystem fort. Neben der robusten Einkommensentwicklung im Haushaltssektor trugen die niedrigen Zinsen maßgeblich dazu bei, dass sich die Dynamik am Wohnimmobilienmarkt im Berichtszeitraum fortsetzte. Insgesamt wiesen die Indikatoren aber nicht darauf hin, dass vom Wohnimmobilienmarkt akute Gefahren für die Finanzstabilität ausgehen. Mit der Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung (FinStabDEV) wurde die rechtliche Voraussetzung geschaffen, Daten zu Wohnimmobilienkrediten anzufordern. Die neue Datenbasis wird es mittelfristig erlauben, Risiken für die Finanzstabilität aus der Wohnimmobilienfinanzierung tiefergehend zu analysieren und zu bewerten. Am Gewerbeimmobilienmarkt könnte die Corona-Pandemie die Dynamik ändern. Die Pandemie erfasste die Segmente in unterschiedlicher Intensität. So fielen beispielsweise die Preise für Einzelhandelsobjekte.
Insgesamt liegen nach Einschätzung des AFS weiterhin die Faktoren vor, die den Aufbau von Verwundbarkeiten im deutschen Finanzsystem begünstigten. Da die Corona-Pandemie gerade im Unternehmenssektor zum starken Anstieg der Verschuldung beigetragen hat, ist diese stärker in den Fokus gerückt. Gleichzeitig ging der Aufschwung am Wohnimmobilienmarkt unvermindert weiter. Der AFS wird die weiteren Entwicklungen aufmerksam beobachten und die Risikolage regelmäßig neu bewerten.
Zusätzlich zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie diskutierte der AFS auch Risiken aus dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU. Der AFS beschäftigte sich zudem mit der Regulierung und der Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien (CCPs) und den daraus folgenden Implikationen für die Finanzstabilität. Aus AFS-Sicht haben sich die deutschen zentralen Gegenparteien (CCP) in der Pandemie als widerstandsfähig erwiesen. Der AFS befasste sich zudem mit Cyberrisiken und ihren potenziellen Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Zudem nahm der AFS Störungen im Zahlungsverkehrssystem TARGET2 zum Anlass, die Risiken eines Ausfalls von TARGET2 für die Finanzstabilität zu erörtern. Im Ergebnis könnten sich Gefahren für die Finanzstabilität insbesondere dann ergeben, wenn das TARGET2-System über mehrere Tage ausfällt.
Im Berichtszeitraum überprüfte der AFS turnusmäßig seine Strategie und überarbeitete diese grundlegend. Hierbei flossen unter anderem die Erfahrungen ein, die aus den Empfehlungen zu den Instrumenten am Immobilienmarkt und zum antizyklischen Kapitalpuffer gewonnen wurden. Bei der Überarbeitung berücksichtigte der AFS auch die Erkenntnisse des Country Peer Reviews des Finanzstabilitätsrates (Financial Stability Board: FSB). In die neue Strategie wurde der makroprudenzielle Politikzyklus explizit aufgenommen und die Bedeutung der Kommunikation für die makroprudenzielle Politik hervorgehoben. In diesem Zusammenhang richtete der AFS eine Internetseite ein (www.afs-bund.de), um die Öffentlichkeit zentral über seine Arbeit zu informieren.